Unsere Geschichte

Gerne möchte ich Euch einen Einblick in unser Leben mit ARFID geben!

Hinweis: Dies ist unsere Geschichte, unser Weg, unsere Entscheidungen. Es ist kein Leitbild, wie man mit ARFID umgehen soll! Trete gerne mit mir in Kontakt für einen Austausch. 

 

Wo fange ich am besten an zur erzählen.
Eigentlich ist die Erkrankung seit einem Jahr akut. Rückblickend und mit dem Wissensstand heute begleitet uns ARFID schon länger. Der Weg bis zur Diagnose ARFID war jedoch sehr holprig. Geprägt von Angst, Hoffnung, Erschöpfung, Mut, Hilflosigkeit. 
Einfach ein Auf und Ab der Gefühle. 

Der Auslöser, warum sie komplett aufgehört hat zu essen war eine Magenerkrankung. Schon einmal war sie erkrankt und es muss für sie schlimm gewesen sein. Bis man herausgefunden hatte, was sie hat, verging viel Zeit. Zeit, in der sie sich immer wieder übergeben musste und wenig gegessen hat. Als sie wieder gesund war, war alles wieder „normal“. 

Fast ein Jahr später, dieselbe Magenerkrankung. Diesmal konnte ich sofort helfen und gegensteuern. Aber es kam anders, es hatte sich viel verändert in der letzten Zeit. Ängste mit den sie die letzten Jahre zu tun hatte wurden stärker. Erlebnisse wurden zur Bedrohung und schürten weitere Ängste. 
„Ein Beispiel: In der Schule ging es einem Mitschüler nicht gut – er musste sich im Klassenraum übergeben. Die Angst sagt ihr daraufhin: ‚Lieber nichts essen, dann kann dir so etwas nicht passieren.‘“ Panikattacken vor der Schule kamen dazu. 

Sie aß immer weniger, bis sie nichts mehr zu sich nehmen konnte und nur noch an den Sachen knabberte, um zu zeigen, hey ich esse doch. 

Es war ein Dienstag, wieder ein schlimme Panikattacke, sie zitterte am ganzen Körper, konnte sich kaum beruhigen. Wir wussten uns nicht zu helfen und mit Rücksprache der Kinderärztin sind wir zum Psychiatrischen Notdienst gefahren. Die schlimmste Entscheidung, die wir treffen konnten. Wir kamen uns vor wie bei einem Verhör, getrennt voneinander wurden wir befragt. Zum Abschluss ein Gespräch zusammen. Der Gang zum Notdienst fiel uns nicht leicht, doch wir wollten und mussten doch helfen. Natürlich weiß man als Eltern, dass das Kind essen muss, damit es nicht verhungert. Natürlich hat das Kind Schulpflicht. Wir haben Hilfe gesucht und leider nicht erhalten. Alles, was man sagte, war uns bekannt. Sie soll essen und zur Schule gehen. Aber genau deshalb bin ich hier, weil es eben nicht funktioniert. 
Man schickte uns weg. Vorher sagte man uns noch, sie muss zur Schule und essen, sollte dies in 2 Wochen nicht so sein und sie weiterhin an Gewicht verloren haben, werden wir ihr Kind zwangseinweisen. 

Und so begann für uns die schlimmste Zeit. Immer wieder zur Gewichtskontrolle, immer wieder sagte man ihr, sie soll doch einfach essen. Aber es ging eben nicht einfach. Sie nahm immer ab, starkes Untergewicht hieß es, ja das stimmt. Immer wieder das Gespräch mit der Kinderärztin, immer wieder der Hinweis sie soll in eine Klinik, damit man ihr helfen kann. 

Die Entscheidung viel schwer, zu dem Zeitpunkt konnten wir auch eine organische Erkrankung nicht ausschließen. Es war die Woche vor dem Abschluss in der Schule, bevor sie die Schule wechseln würde. In der Hand hielten wir eine Einweisung in die Kinderklinik mit psychosomatischer Betreuung. Lange mussten wir in der Klinik warten, für uns schon sehr unangenehm für unsere Tochter noch viel mehr. Man sah ihr die Angst an, sie weinte viel in den Tagen. 
Nach dem Gespräch mit dem Arzt, hieß es, wir können Sie hier nicht aufnehmen, sie sind kein Notfall. Wir versuchten es in einem anderen Krankhaus, wir wurden ebenfalls abgelehnt. 
In den letzten Tagen haben wir immer wieder auf sie eingeredet, ihr klar gemacht, dass man ihr im Krankenhaus endlich helfen kann. Wut und Enttäuschung machten sie breit. Sie war bereit sich helfen zu lassen, doch dann die Ablehnung.

Ein paar Tage später, ein Freitag, hatten wir einen Termin in der Gastroenterologie. Der Arzt dort kannte uns bereit von der ersten Magenerkrankung, sie wurde eingängig untersucht. Wir erzählten von der Ablehnung in den Kinderkliniken. Er bot uns die stationäre Aufnahme für Montag an, um sie zu untersuchen, um vielleicht endlich eine Diagnose zu erhalten. 

Das Wochenende versuchten wir uns gut abzulenken, Montag ging es dann in die Klinik. Angst und Zweifel machten sie wieder breit. Ist es die richtige Entscheidung? 
Dort angekommen, bekamen wir ein Zimmer zugewiesen, in das wir beide nicht einziehen wollten. Also gingen wir in das Spielzimmer, versuchten uns da die Zeit zu vertreiben. Erste Gespräche, dann Blutabnehmen und Zugang legen. Eine Tortur für sie, immer wieder die Angst in ihren Augen, sie weinte viel. 

Wie man mittlerweile weiß, entsteht ARFID nicht einfach aus dem nichts, meist sind es Erkrankungen, die voraus gehen. In unserem Fall eine Angst- und Zwangsstörung. 2020 als Corona anfing die Welt in Griff zu haben, entwickelte sie einen Waschzwang. Sie wusch sich die Hände, bis sie blutig waren. Angst uns anzufassen, und uns zu umarmen, Angst Pflanzen könnten giftig sein, Angst es kann ihr jederzeit etwas passieren. Diese Gedanken beherrschten ihren Kopf. Dazu erkrankte sie selbst an Corona, später wir alle. Erlebnisse, die diese Gedanken unterstützten kamen hinzu. Ich musste aufgrund der Coronaerkrankung per Krankenwagen ins Krankenhaus. Sie musste mit ansehen, wie ich weggebracht wurde, zum Glück musste ich nicht lang bleiben. Ein weiteres Ereignis, ihr Opa musste auch ins Krankenhaus. Für uns alle ein Hoffen und Bangen. Damals konnte man seine Angehörigen nicht einfach besuchen. Viele Telefonate und ständig die Angst um meinen Papa, ihren Opa. 

Im Krankenhaus war es alles andere als leicht für sie und uns. Der Zugang war gelegt, wir wollten aber noch immer nicht in unser Zimmer. Vielleicht hatten wir beide die Hoffnung doch wieder gehen zu können. Es folgten weitere Untersuchungen, sie weinte immer wieder, wollte nur weg. Zur Nacht löste mich mein Mann ab und ich konnte kurz durchatmen, bis zum nächsten Tag. 
Eine Psychologin suchte das Gespräch, ein MRT vom Kopf wurde gemacht, Ultraschall der Organe und vieles mehr. 

Am Mittwoch sollten wir entlassen werden. Eine Diagnose gab es nicht, organisch schien alles ok zu sein. Man empfahl uns die stationäre Aufnahme in die Kinder- und Jugendpsychiatrie, bevor man uns entlassen wollte, suchte man das Gespräch mit der vorgeschlagenen Klinik. Und erst als wir zustimmten uns dort vorzustellen, wurden wir entlassen.

Wir konnten dann ein paar Tage durchatmen, den Schulabschluss feiern, um uns dann auf den Termin in der Kinder- und Jugendpsychiatrie vorzubereiten. Auch da bestätigte sich das, was ich als Mutter in letzter Zeit immer bemerkte, 
man hörte mir nicht zu. 
Egal mit welchem Arzt ich darüber sprach, man dachte immer in Richtung Anorexie oder Bulimie. Immer wieder sagte ich, das kann es nicht sein, denn sie möchte Essen und kann es nur nicht. 

Wir waren alle sehr aufgeregt, was den Termin in der Kinder- und Jugendpsychiatrie anging.
Man empfing uns sehr freundlich und kurze Zeit später saßen wir in einem Besprechungsraum. Wir wurden befragt, und dann erklärte man uns den Ablauf. Stationäre Aufnahme würde bedeuten: 
- Ein Zimmer mit einer weiteren Person teilen
- Unterricht 
- eine Sonde über die Nase, um ernährt zu werden
- 1 x in der Woche Therapie 
- zur Mittagszeit – freie Zeit zur Verfügung
- Mittwoch und am Wochenende darf man die Familie sehen
 

Auf meine Frage hin, was die Kinder sonst machen, hieß es, sie können spielen oder machen auch ab und an einen Ausflug. Ob denn nicht mehr Therapie notwendig sei als einmal in der Woche. Man antwortete mir, ja es wäre auch mal ein Einzelgespräch möglich.
Ganz schnell machte man uns klar, dass ihr Gewicht hochgepumpt werden sollte. 500-800g in der Woche müsste sie zunehmen. Aufenthalt dauert mindestens 3 Monate. Auch da wiesen wir die Ärzte darauf hin, dass unsere Tochter ja nicht mit Bulimie oder Anorexie zu tun hat. Darauf ging man aber leider nicht ein.
Nach 30 Minuten war das Gespräch beendet mit dem Hinweis, wir müssen uns schnell entscheiden, denn wirklich freie Plätze gibt es nicht. Zum Abschluss zeigte man uns noch die Station, die wirklich sehr schön gestaltet war. Und da waren sie, diese vielen jungen Mädchen, fast jede hatte eine Nasensonde, um ernährt zu werden. 

Dieses Gespräch bestätige meine vorher getroffene Entscheidung, sie nicht in eine Klinik zu geben.
Natürlich sind die Ärzte, auch unsere Kinderärztin immer anderer Meinung gewesen, es geht um das Kindeswohl. Weitere Unterernährung kann weitere Krankheiten mit sich ziehen. 

Ja genau, es geht um Kindeswohl und ja uns ist wohl bewusst, dass es ernst ist. 
Genau deshalb entschieden wir uns gegen die Klinik. Wir als Eltern kennen unser Kind am besten. Sie ist hochsensibel, als Zwilling braucht sie ihre Schwester und ihre Familie. Uns war auch bewusst, dass ein Klinikaufenthalt die Sache verschlimmern würde. Weg von der Familie, ihrer Zwillingsschwester, kaum Kontakt haben können, ihre Freunde, nicht in der neuen Schule starten können, unsere Hündin, die ihr so viel gibt. Die Vorstellung, dass ihr Gewicht hochgepumpt wird, auf ein Gewicht, das sie noch nicht einmal vor der Erkrankung hatte und dabei die Ursache nicht angegangen wird, war für uns nicht tragbar. 

Therapieansätze

Ich habe sehr viel recherchiert. In Sachen Angst- und Zwangsstörung konnte man uns auch schon einmal gut helfen. Da unsere Tochter aber eher sehr ruhig ist, sich nur sehr überlegt äußert, gestaltete sich die Gesprächstherapie schwierig, dennoch nicht erfolglos. 
Da ich mehr in der Therapie gesprochen habe als meine Tochter, suchte ich nach einer Therapie, die ihr mehr in die Karten spielt. Uns so stieß ich auf die YAGER-CODE Therapie. Die Therapeutin war sehr nett, nach 2 Besuchen stellten wir aber alle fest, es ist nicht die richtige Therapie für unsere Tochter. Als Idee gab uns die Therapeutin mit, es mit Hypnose zu probieren.  

Auch hier habe ich viel recherchiert und schnell jemanden gefunden. Immer noch ohne Diagnose, aber voller Hoffnung nahm ich Kontakt auf und schnell hatten wir einen Termin.
Auf die Hypnose konnte sie sich voll einlassen und ein paar Sitzungen später, hat sie tatsächlich angefangen die ersten Lebensmittel auszuprobieren, wenn auch sehr sehr zögerlich. 

Ich versuchte weiterhin rauszubekommen mit was wir es zu tun hatten und so fütterte ich Google mit den verschiedensten Begriffen. Endlich ein Erfolg. Ich stieß auf eine Ärztin, die auf dem Gebiet von ARFID forscht. Ich schrieb sie einfach an und bekam tatsächlich eine sehr nette E-Mail zurück. Nachdem ersten Telefonat erhielten wir das Angebot, mit uns zu arbeiten. Wir hatten die ersten Onlinestunden und bekamen so die Informationen, das sie an ARFID leidet. Ein Diagnosegespräch brachte es schwarz auf weiß. ARFID. 

Da ich merkte, dass die Hypnose an ihre Grenzen kommt suchte ich weiter. Mit der nun bestätigten Diagnose konnte ich anders suchen. Nach einiger Zeit auch hier der Erfolg. Ich fand eine Therapeutin, die sich auf Essstörungen spezialisiert hat. Seit nun etwa 4 Monaten läuft die Therapie und sie ist sehr erfolgreich. Die Liste der Lebensmittel, die unsere Tochter zu sich nimmt, ist sehr gewachsen, sie nimmt zu und ihr ganzes Sozialverhalten ändert sich, sie wird offener, selbstbewusster. Die Trinknahrung, die sie 3–4-mal am Tag zu sich genommen hat, hat sie komplett durch Lebensmittel ersetzt. Ein Riesenerfolg! Die Trinknahrung hat sie über 9 Monate begleitet. 

Aber das Wichtigste, wir alle lernen diese Krankheit zu verstehen und damit zu arbeiten. Sie hat schon so viel erreicht und es liegt noch ein Stück Weg vor uns, den wir zusammen mit unserer Tochter gehen und sie unterstützen gesund zu werden.

Was ARFID für uns als Familie bedeutet

Man kann es sich schlecht vorstellen. ARFID bedeutet nicht nur, der- oder diejenige kann sich nicht richtig ernähren. Begleitet wie in unserem Fall durch die Angststörung, bedeutet es so viel mehr. Vor allem im sozialen Bereich. Ein Essen gehen als Familie schlichtweg nicht möglich. 
Während einer Reise essen im Auto nicht möglich. Auf eine Party gehen, bei anderen essen, nicht möglich. Ein Kinobesuch mit Popcorn, nicht möglich… und vieles mehr. 

Am Anfang sind wir extrem an unsere Grenzen gekommen. Wir haben einfach nicht verstanden, warum sie nicht essen kann. In manchen Situationen ließ mich die Angst ungerecht gegenüber unserer Tochter werden.
Ich schrie sie an, sie soll doch einfach essen, ich weinte, war wütend, wenn sie am Brot knabberte. Ich verstand nicht, dass man auf der einen Seite Angst vor so vielen Dingen hat, auch krank zu werden und auf der anderen in Kauf nahm durch das nicht essen, krank zu werden. 
Außenstehenden war und ist es schwer zu erklären, was diese Krankheit mit uns allen macht. Ich habe mir Vorwürfe gemacht, dass ich an der Erkrankung schuld bin. Immer auf der Suche nach dem Grund der Erkrankung, einer Erklärung dafür. Ich möchte nochmal zum Ausdruck bringen, auch wenn es sich vielleicht leicht liest, Termin hier, Gespräch dort... nach Monaten hieß meine Diagnose... Erschöpfungssyndom...

Als Familie wollten wir diese Krankheit verstehen. Wir mussten lernen, unsere Tochter nicht unter Druck zu setzen, 
Geduld zu haben. Glaubt mir, es ist alles andere als einfach. Du siehst dein Kind, was essen will und nicht kann. Du nimmst sie in den Arm und spürst die Spuren dieser Krankheit und denkst dir wie dünn sie doch ist. 

Was ARFID für unsere Tochter bedeutet

Wir können uns umstellen, andere Wege finden, um Dinge zu erleben. Für sie bedeutet es so viel mehr. Freunde besuchen heißt, wie organisiere mich, damit ich nachmittags auch genügend esse. Ein Essen in der Schule nicht möglich, die Teilnahme am Sportunterricht aufgrund des Untergewichts nicht möglich. Roller fahren, Schwimmen, Klettern, Fahrrad fahren, alles nicht möglich. Der ganze soziale Bereich hat sich durch ARFID verändert. 
 

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